„Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.“ Frei nach Albert Einstein sind wir bass erstaunt, dass plötzlich die drei Wochen, die uns erst so unendlich lang erschienen, schon wieder vorbei sind und wir uns Gedanken über die Heimreise machen müssen.
Die Anfahrt nach Helsinki ist mit 5,5 Stunden reiner Fahrzeit schon recht beachtlich und unsere freie Tagesgestaltung wird durch den bereits um 15 Uhr schließenden Check-in noch weiter eingeschränkt. Eigentlich wollten wir in der Hauptstadt noch ein bisschen verweilen, also heißt es sehr früh aufstehen! Eher zufällig landet der Blick auf der Wettervorhersage: Helsinki, 30° und schwül-warm. 30° Grad? In Finnland? Tatsächlich gibt es auch das und wir bekommen es zum Abschied serviert. Also hektische Stadtbesichtigung bei hochsommerlichen Temperaturen??? Wer uns kennt weiß, dass das so gar nix für uns ist. Also kein Sightseeing; stattdessen schlafen wir ein bisschen länger und machen einen Stopp zur Dombesichtigung in Tampere bevor wir, just-in-time, um 14:45 vor den Finnlines Check-in Schalter rollen.
Wurden wir auf der Hinfahrt sofort vom Geleitauto abgeholt, heißt es heute leider warten. Lange Schlangen von Pkw brutzeln in der Sonne. Wir haben aber wieder Glück und dürfen eine neue Spur eröffnen, direkt neben der mit den Wohnmobilen. Die sind hoch genug und spenden uns Schatten, bis wir dann im Konvoi im Slalom durch den Hafen auf die „Finnmaid“ gelotst werden. Und gut, dass das neue Cachermobil mit ein bisschen technischem Schnick-Schnack versehen ist, denn wir müssen rückwärts die schmale Rüttelrampe zum oberen Deck hoch fahren, was dank der Rückfahrkamera und Lars herausragenden Fahrkünsten (gerade das Rückwärtsfahren üben wir oft auf engen Straßen und Wegen, wenn es vorwärts nicht mehr weitergeht 😉 ) kein Problem ist!
Aber dann werden wir für die bisherigen Strapazen entlohnt, denn auf dem Sonnendeck finden wir ein schattiges Plätzchen für Lars und einen Liegestuhl in der Sonne für Diane und lassen während der Ausfahrt durch die Schären von Helsinki die Aussicht gemächlich an uns vorbeiziehen. Sobald wir offene See erreichen wird’s dann doch ein bisschen sehr windig, aber da knurrt uns eh der Magen und wir verziehen uns zum Abendessen nach drinnen.
Satt und zufrieden und mit einer Jacke gegen den Wind geschützt finden wir uns dann später wieder zum Sonnenuntergang gucken auf Deck ein. Ein ziemlich langer Sonnenuntergang! Erstaunlicherweise sind wir auch fast alleine, nur ein unverwüstliches deutsches Paar hat sich in – unsittlicherweise identische – Windjacken gehüllt und guckt starr gen Horizont. Erst kurz bevor die Sonne endgültig verschwindet trudeln noch ein paar vereinzelte Passagiere zum Selfiewettschießen ein.
Am nächsten Tag hüllt sich die Ostsee wieder in Seenebel, aber da wir auch für die Rückfahrt auf eine schöne große Außenkabine umgebucht haben, ist uns das egal. Erst am frühen Abend klart es auf und die Ankunft in Travemünde ist dann wieder sonnig und erlaubt ein letztes Sonnenbad an Deck. Ausschiffen und Rückfahrt sind auch wieder problemlos, nur auf das Gewitter mit Platzregen in Hamburg hätten wir gut verzichten können. Willkommen in Deutschland 😉 .
Wie aus dem Finnlines-Prospekt Oben und unten blau Behelfsstativ So lässt es sich aushalten Kitschig, aber schön! Hallo Travemünde Letztes Sonnenbad an Deck
Nach drei Wochen Selbstversuch führt Finnland unserer Meinung nach bisher völlig zu unrecht ein touristisches Schattendasein im Norden Europas. Wir können es eigentlich nur auf die doch etwas längere und umständliche Anreise zurückführen. Preislich ist es völlig in Ordnung; die Lebenshaltungskosten liegen etwa 20% über den deutschen. Aber verglichen mit Norwegen und auch Schweden, ein echter Schnapper! Und da Finnland zur Eurozone gehört, entfällt auch das lästige Umrechnen; was man in den anderen skandinavischen Ländern ja immer noch muss.
Die Finnen selbst sind eher zurückhaltend, aber sehr freundlich, wenn sie mal aufgetaut sind. Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht. Ferienhäuser gibt es reichlich, da wird für jeden Geldbeutel und Geschmack was geboten. Einzig Hotels sind gerade im Osten etwas dünner gesät. Die einheimische Küche ist sehr maritim geprägt und eher deftig. Fischliebhaber werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen und können sich bei entsprechender Geduld ihr Abendessen auch fast überall ohne große Genehmigung selbst angeln.
Bei der Routenplanung sollte man allerdings noch mehr als in anderen Ländern darauf achten, dass die räumliche Entfernung in der Regel in einem deutlich ungünstigeren Verhältnis zum Zeitaufwand für ihre Bewältigung steht, als wir es gewöhnt sind. Und für die, die mit dem Auto unterwegs sind: unbedingt auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen achten! Aktuell ist bei Geschwindigkeitsverstößen eine Mindestbuße von 200 Euro fällig; andere Verkehrsverstöße werden teilweise einkommensabhängig geahndet und können somit noch teurer ausfallen. Der Urlaub ist also auch gleich eine gratis Verkehrserziehung und wer mit Tempomat fährt ist klar im Vorteil. Wir sind jedenfalls immer noch total auf Schilder mit Geschwindigkeitsangaben fixiert. Pawlow wäre stolz auf uns!
Es gibt wohl auch ein sehr ausgedehntes Busnetz. Wir haben zumindest jede Menge Bushaltestellen gesehen, die allerdings meistens nur aus einer Stange am Wegesrand mit einem blauen Busschildchen oben drauf bestanden. Ein Dach oder einen Fahrplan gibt’s da nicht. Und wir haben auch nicht allzu viele Linienbusse gesehen. Wie die Leute wissen wann und wo welcher Bus fährt ist uns also völlig schleierhaft. Es gibt bestimmt eine App dafür.
Okay, eine Sache hat uns tatsächlich etwas zu schaffen gemacht; die Sprache! Wir konnten uns bis zum Schluss nicht an die vielen Doppelvokale gewöhnen. Damit gleichen sie wohl aus, dass es im Finnischen kein c, q, w, x, b und f gibt; außer bei in die Sprache übernommen Fremdwörtern. Die dann aber teilweise auch durch ähnlich klingende und im Finnischen gebräuchlichere Buchstaben ersetzt werden. Für uns sind sie dann seltsam vertraut und klingen oft drollig, vor allem, weil am Ende gerne ein „i“ angehangen wird; so z.B. der besservisseri, hevimusiikki oder bussi. Aber dass man das Mobiltelefon als „kännykkä“ oder das Tablet als „sormitietokone“ bezeichnet lässt sich beim besten Willen nicht mehr aus uns bekannten Sprachen ableiten. Zugegebenermaßen beschränkt sich unser Wortschatz dann auch lediglich auf das nötigste Reisevokabular: „Hei“ (hallo); „Heippa“ (tschüss); „Kiitos“ (danke) und natürlich „Kippis“ (Prost!). Denn schon bei „Hyvää päivää“ (guten Tag) verlässt uns das Vertrauen in unsere korrekte Aussprache.
Unser Fazit: Finnland ist sehr schönes und herrlich unaufgeregtes Land. Alles geht geruhsam zu und so kommen auch die Besucher zur Ruhe. Wald und Wasser tragen ihr übriges dazu bei. Wir haben auf jeden Fall gelernt die Stille zu hören 🙂 . Unser Er- und Wiederholungsfaktor: sehr hoch. Bisher haben wir ja auch nur den Süden gesehen. Wir kommen also auf jeden Fall wieder!
Wer Lust hat uns in unserem Skandinavien-Jahr weiter zu begleiten, kann uns im September nach Schweden folgen. Wir freuen uns schon sehr !
Da können wir uns dann gut ergänzen, meine Finnisch-Kenntnisse beschränken sich nämlich auf: Yksi, Kaksi, Kolme! (1, 2, 3).
Wobei ich bisher noch wenig Einsatzmöglichkeiten dafür hatte… 🙂
Schön geschrieben und tolle Bilder!