Finnland 2019 – Schlussakkord und Fazit

Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.“ Frei nach Albert Einstein sind wir bass erstaunt, dass plötzlich die drei Wochen, die uns erst so unendlich lang erschienen, schon wieder vorbei sind und wir uns Gedanken über die Heimreise machen müssen.

Die Anfahrt nach Helsinki ist mit 5,5 Stunden reiner Fahrzeit schon recht beachtlich und unsere freie Tagesgestaltung wird durch den bereits um 15 Uhr schließenden Check-in noch weiter eingeschränkt. Eigentlich wollten wir in der Hauptstadt noch ein bisschen verweilen, also heißt es sehr früh aufstehen! Eher zufällig landet der Blick auf der Wettervorhersage: Helsinki, 30° und schwül-warm. 30° Grad? In Finnland? Tatsächlich gibt es auch das und wir bekommen es zum Abschied serviert. Also hektische Stadtbesichtigung bei hochsommerlichen Temperaturen??? Wer uns kennt weiß, dass das so gar nix für uns ist. Also kein Sightseeing; stattdessen schlafen wir ein bisschen länger und machen einen Stopp zur Dombesichtigung in Tampere bevor wir, just-in-time, um 14:45 vor den Finnlines Check-in Schalter rollen.

Wurden wir auf der Hinfahrt sofort vom Geleitauto abgeholt, heißt es heute leider warten. Lange Schlangen von Pkw brutzeln in der Sonne. Wir haben aber wieder Glück und dürfen eine neue Spur eröffnen, direkt neben der mit den Wohnmobilen. Die sind hoch genug und spenden uns Schatten, bis wir dann im Konvoi im Slalom durch den Hafen auf die „Finnmaid“ gelotst werden. Und gut, dass das neue Cachermobil mit ein bisschen technischem Schnick-Schnack versehen ist, denn wir müssen rückwärts die schmale Rüttelrampe zum oberen Deck hoch fahren, was dank der Rückfahrkamera und Lars herausragenden Fahrkünsten (gerade das Rückwärtsfahren üben wir oft auf engen Straßen und Wegen, wenn es vorwärts nicht mehr weitergeht 😉 ) kein Problem ist!

Aber dann werden wir für die bisherigen Strapazen entlohnt, denn auf dem Sonnendeck finden wir ein schattiges Plätzchen für Lars und einen Liegestuhl in der Sonne für Diane und lassen während der Ausfahrt durch die Schären von Helsinki die Aussicht gemächlich an uns vorbeiziehen. Sobald wir offene See erreichen wird’s dann doch ein bisschen sehr windig, aber da knurrt uns eh der Magen und wir verziehen uns zum Abendessen nach drinnen.

Satt und zufrieden und mit einer Jacke gegen den Wind geschützt finden wir uns dann später wieder zum Sonnenuntergang gucken auf Deck ein. Ein ziemlich langer Sonnenuntergang! Erstaunlicherweise sind wir auch fast alleine, nur ein unverwüstliches deutsches Paar hat sich in – unsittlicherweise identische – Windjacken gehüllt und guckt starr gen Horizont. Erst kurz bevor die Sonne endgültig verschwindet trudeln noch ein paar vereinzelte Passagiere zum Selfiewettschießen ein.

Am nächsten Tag hüllt sich die Ostsee wieder in Seenebel, aber da wir auch für die Rückfahrt auf eine schöne große Außenkabine umgebucht haben, ist uns das egal. Erst am frühen Abend klart es auf und die Ankunft in Travemünde ist dann wieder sonnig und erlaubt ein letztes Sonnenbad an Deck. Ausschiffen und Rückfahrt sind auch wieder problemlos, nur auf das Gewitter mit Platzregen in Hamburg hätten wir gut verzichten können. Willkommen in Deutschland 😉 .


Nach drei Wochen Selbstversuch führt Finnland unserer Meinung nach bisher völlig zu unrecht ein touristisches Schattendasein im Norden Europas. Wir können es eigentlich nur auf die doch etwas längere und umständliche Anreise zurückführen. Preislich ist es völlig in Ordnung; die Lebenshaltungskosten liegen etwa 20% über den deutschen. Aber verglichen mit Norwegen und auch Schweden, ein echter Schnapper! Und da Finnland zur Eurozone gehört, entfällt auch das lästige Umrechnen; was man in den anderen skandinavischen Ländern ja immer noch muss.

Die Finnen selbst sind eher zurückhaltend, aber sehr freundlich, wenn sie mal aufgetaut sind. Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht. Ferienhäuser gibt es reichlich, da wird für jeden Geldbeutel und Geschmack was geboten. Einzig Hotels sind gerade im Osten etwas dünner gesät. Die einheimische Küche ist sehr maritim geprägt und eher deftig. Fischliebhaber werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen und können sich bei entsprechender Geduld ihr Abendessen auch fast überall ohne große Genehmigung selbst angeln.

Bei der Routenplanung sollte man allerdings noch mehr als in anderen Ländern darauf achten, dass die räumliche Entfernung in der Regel in einem deutlich ungünstigeren Verhältnis zum Zeitaufwand für ihre Bewältigung steht, als wir es gewöhnt sind. Und für die, die mit dem Auto unterwegs sind: unbedingt auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen achten! Aktuell ist bei Geschwindigkeitsverstößen eine Mindestbuße von 200 Euro fällig; andere Verkehrsverstöße werden teilweise einkommensabhängig geahndet und können somit noch teurer ausfallen. Der Urlaub ist also auch gleich eine gratis Verkehrserziehung und wer mit Tempomat fährt ist klar im Vorteil. Wir sind jedenfalls immer noch total auf Schilder mit Geschwindigkeitsangaben fixiert. Pawlow wäre stolz auf uns!

Es gibt wohl auch ein sehr ausgedehntes Busnetz. Wir haben zumindest jede Menge Bushaltestellen gesehen, die allerdings meistens nur aus einer Stange am Wegesrand mit einem blauen Busschildchen oben drauf bestanden. Ein Dach oder einen Fahrplan gibt’s da nicht. Und wir haben auch nicht allzu viele Linienbusse gesehen. Wie die Leute wissen wann und wo welcher Bus fährt ist uns also völlig schleierhaft. Es gibt bestimmt eine App dafür.

Okay, eine Sache hat uns tatsächlich etwas zu schaffen gemacht; die Sprache! Wir konnten uns bis zum Schluss nicht an die vielen Doppelvokale gewöhnen. Damit gleichen sie wohl aus, dass es im Finnischen kein c, q, w, x, b und f gibt; außer bei in die Sprache übernommen Fremdwörtern. Die dann aber teilweise auch durch ähnlich klingende und im Finnischen gebräuchlichere Buchstaben ersetzt werden. Für uns sind sie dann seltsam vertraut und klingen oft drollig, vor allem, weil am Ende gerne ein „i“ angehangen wird; so z.B. der besservisseri, hevimusiikki oder bussi. Aber dass man das Mobiltelefon als „kännykkä“ oder das Tablet als „sormitietokone“ bezeichnet lässt sich beim besten Willen nicht mehr aus uns bekannten Sprachen ableiten. Zugegebenermaßen beschränkt sich unser Wortschatz dann auch lediglich auf das nötigste Reisevokabular: „Hei“ (hallo); „Heippa“ (tschüss); „Kiitos“ (danke) und natürlich „Kippis“ (Prost!). Denn schon bei „Hyvää päivää“ (guten Tag) verlässt uns das Vertrauen in unsere korrekte Aussprache.

Unser Fazit: Finnland ist sehr schönes und herrlich unaufgeregtes Land. Alles geht geruhsam zu und so kommen auch die Besucher zur Ruhe. Wald und Wasser tragen ihr übriges dazu bei. Wir haben auf jeden Fall gelernt die Stille zu hören 🙂 . Unser Er- und Wiederholungsfaktor: sehr hoch. Bisher haben wir ja auch nur den Süden gesehen. Wir kommen also auf jeden Fall wieder!

Wer Lust hat uns in unserem Skandinavien-Jahr weiter zu begleiten, kann uns im September nach Schweden folgen. Wir freuen uns schon sehr !

Finnland 2019 – Der „wilde“ Westen

Traditionell sind wir ja Westküstenfans 😉 und so haben wir sie auch diesmal auf unserer Route. Direkt vor den Toren Turkus liegt ein Archipel, den wir wirklich empfehlen können. Inselhüpfen wird einem hier – zumindest auf den kurzen Strecken – extrem einfach gemacht, denn die Fähren sind kostenlos und fahren ständig. Und einige Inseln sind auch durch Brücken verbunden bzw. zu erreichen. Da braucht es nicht viel Planung und man kann sich treiben lassen.

Die Inselchen unterscheiden sich nicht viel voneinander – und wenn man ganz ehrlich ist auch nicht vom Festland. Es gibt weiterhin jede Menge grün und blau, gesprenkelt mit dem gelegentlichen beige, weiß und Rottönen. Und Ruhe und Zeit. Genau richtig für unser entspanntes Natursightseeing!

Ein Stückchen weiter nördlich liegt Rauma. Die Altstadt „Vanha Rauma“ ist UNESCO Weltkulturerbe, weil hier noch besonders viele besonders alte Holzhäuser stehen. Offensichtlich haben die Raumaer es geschafft, ihre Altstadt vor den sonst recht häufigen Feuersbrünsten zu schützen, denen die meisten Holzhäuser in Finnlands Städten zum Opfer gefallen sind. Wir lassen das Auto auf einem der rund um die Altstadt verteilten Parkplätze stehen und machen uns zu Fuß auf Entdeckungstour. Offensichtlich sind wir damit aber zumindest heute eine Ausnahme. Durch die Kopfsteinpflasterstraßen cruisen jede Menge Autos, was den Gesamteindruck doch ein wenig negativ beeinträchtigt. Man sollte aber auch sonst nicht zu viel erwarten, denn viele der Häuschen sind in keinem sehr guten Zustand, da blättert die Farbe, es fehlen Bretter oder die Fenster sind zugeklebt. Es ist immer noch sehenswert, kommt aber an Porvoo, vom Anfang unseres Urlaubs, nicht heran. Dafür ist es ein lebendiges Viertel, mit Wohnhäusern, Läden und Cafés.

Richtige Sandstrände sind in Skandinavien ja oft eher klein. Aber der von Yyteri bietet sechs Kilometer feinste goldene Körnchen. Und direkt dahinter bildschöne Dünen und natürlich wieder Wald. Es ist zwar noch ein bisschen früh im Jahr, aber ein einsamer Kitesurfer hat doch schon die Saison eröffnet und bietet eine beeindruckende Show.

Von der absoluten Einsamkeit über ein kleines Feriendorf, verschlägt es uns zum Schluß zurück in die Stadt. Wir beziehen ein bezauberndes kleines Cottages, eine ehemalige Bäckerei von 1870, mitten im Zentrum von Vaasa. Und es ist gut, dass wir wieder in der Zivilisation sind, denn Lars wird von heftigen Zahnschmerzen geplagt. So lernen wir auch noch das finnische Gesundheitssystem in Form einer sehr schicken privaten Zahnklinik kennen. Falls also jemand ein ähnliches Problem haben sollte, bei Aurora Hammaslääkärit spricht man ausreichend Englisch und ist sehr hilfsbereit! Da es eine Privatklinik ist, muss man aber erst selbst zahlen und sich die Kosten später über die Reisekrankenversicherung erstatten lassen.

Vaasa selbst ist eine Mischung aus kleiner häßlicher Industriestadt und pittoresken Überresten aus der Zeit vor den 1960er Bausünden. Aber direkt vor der Küste liegt ebenfalls ein kleiner Archipel, der Kvarken. Von hier sind es gerade mal 80 km bis nach Schweden und es werden jedes Jahr weniger. Denn der Erdboden hebt sich in dieser Region mit einer Geschwindigkeit von 0,8 cm pro Jahr, so dass sich immer wieder Moränen aus dem Wasser erheben. Somit wächst die Landmasse jedes Jahr um 1 Hektar, was etwa der Größe eines Parkplatzes für 230 Linienbusse entspricht; oder halt 10.000 qm 🙂 . Sehr anschaulich dargestellt am schwarz geteerten Aussichtsturm Saltkaret. Er ist 20 m hoch, was der Landhebung der letzten 2000 Jahre entspricht. Nochmal so lange und man kann trockenen Fußes von Finnland nach Schweden laufen.

Wir sind erst etwas überrascht, als wir die Glashäuser sehen, die man hier mieten kann um die Nordlichter zu sehen. Sooo weit nördlich sind wir doch eigentlich gar nicht; dachten wir. Aber tatsächlich geht schon hier die Sonne erst um halb zwölf offiziell unter und es wird dämmrig, aber nicht mehr richtig dunkel, bis sie um halb vier dann auch schon wieder aufgeht. Unser Biorhythmus ist damit etwas überfordert und ordentlich aus dem Takt. Gut, dass wir keine großen Pläne mehr haben und uns einfach ein bisschen rund um Vaasa herumtreiben und die Seele weiter baumeln lassen können.

Finnland 2019 – WWW (Wind, Wasser, Wald) im Südwesten

Wir haben uns den Einheimischen in Bezug auf das Lebenstempo bereits bestens angepasst und alles geht jetzt auch bei uns etwas langsamer. Beim Einkaufen an der Kasse fängt man grundsätzlich erst nach dem Bezahlen mit dem Einpacken an; sieht man beim Abbiegen auf der Straße ein Auto kommen, wartet man immer bis es vorbei ist, auch wenn es noch einen Kilometer weit weg ist und 40 km/h sind eine völlig normale Reisegeschwindigkeit. Was aber leider auch dazu führt, dass unsere Fahrt von West nach Ost fast einen ganzen Tag in Anspruch nimmt und das obwohl der prasselnde Dauerregen die Zwischenziele leider ausfallen lässt. Ach ja, und der Blog hat ein bisschen pausiert 😉 .

Landschaftlich ändert sich nicht so viel, es gibt immer noch jede Menge Wald und Wasser. Jetzt aber nicht nur Seen, sondern auch das Meer. Es liegt quasi direkt vor der Tür. Der angekündigte Meerblick in der Ferienhaussiedlung Mathildedal ist allerdings – wie von uns aber auch schon erwartet – nur mit Mühe über die Baumwipfel zu erspähen. Wir sind auch nicht mehr so allein, ein paar Hütten sind bewohnt und hin und wieder sehen und hören wir unsere Nachbarn. Könnte auch daran liegen, dass Christi Himmelfahrt hier ebenfalls ein Feiertag ist und die Finnen die Brückenwoche für einen Kurzurlaub nutzen. Autos mit fremden Kennzeichen bleiben aber eine absolute Ausnahme und unser kleines Cachermobil 2.0 wird immer wieder neugierig beäugt.

Was sich bereits bewährt hat, soll man nicht ändern, also machen wir weiter wie bisher. Erkunden gemütlich und in Ruhe den hiesigen Wald (Mückenabwehr nicht vergessen!) und die kleinen Örtchen. Der höhere Bevölkerungsgrad macht sich dann aber doch bemerkbar, wenn z.B. in Hanko der idyllische Ausblick am Strand nur beim Blick geradeaus gegeben ist. Links erhebt sich der Industriehafen und rechts das Ro/Ro Terminal der Transfennica, inklusive Lagerhallen und Gleisanlagen und entsprechend betriebsam. Was uns zugegebenermaßen davon abhält, den ansonsten sicherlich malerischen Spaziergang zum südlichsten Punkt des Landes zu unternehmen.

Wir bleiben lieber bei den abgelegenen Buchten und verschlafenen Dörfern. Das Wetter ist durchwachsen und bietet uns regelmäßig einen schön dramatischen Himmel dazu. Am Meer kann der Wind, der die Bäume so schön rauschen lässt allerdings auch ziemlich ungemütlich werden. Wer da empfindlich ist, sollte einen Ohrenschutz parat halten. Wir sind auch zwischendurch sehr froh, dass wir unsere (Auto)mobile Garderobe dabei haben und je nach aktueller Witterung von Sonnenbrille bis gefütterter Windjacke alles dabei haben 🙂 .

Auffällig für uns ist hier auch der größere Steinreichtum, der von den vielen Schäreninseln über Findlinge bis hin zu Geröllfeldern reicht. Die Inselchen erheben sich wie Walbuckel aus dem Wasser und sind je nach Größe mit Gräsern und/oder Bäumen bewachsen, sicherlich aber von Vögeln besiedelt. Die Findlinge sind mit Flechten und Moosen überzogen und wirken urzeitlich und sprichwörtlich steinalt. Die Geröllfelder erscheinen wie künstlich angelegt, als hätte ein Riese alle seine Murmeln auf einen Haufen geworfen. Sicherheitshinweis – nur mit festem Schuhwerk betreten, denn die Steine liegen lose aufeinander und bieten keinen Halt!

Mit diesem Urlaub haben wir uns auch den Frühling zurückgeholt. Es blüht überall und ein Gang über die Löwenzahnwiese löst einen weißen Blütensturm aus; sie fliegen wie Flocken durch die Luft und teilweise liegen so viele auf der Straße, dass es aussieht, als hätte es geschneit 😉 . Und in der nächsten Bucht sieht es dann wieder aus wie in der Karibik. Es ist echt extrem abwechslungsreich.