Harris ist eigentlich keine eigene Insel, sondern bildet mit Lewis eine Landmasse. Wahrscheinlich ist die namentliche Trennung den extrem unterschiedlichen Landschaften geschuldet. Lewis (Gälisch Leòdhais = sumpfig) bildet den wesentlich größeren nördlichen Teil und ist überwiegend flach und in weiten Teilen wirklich sumpfig. Harris (aus dem Altnordischen = Hohes Land) im Südwesten ist kleiner und bergiger. Die Trennlinie bilden die North Harris Hills, die wir schon regelmäßig bewundert haben, wenn sie dunstig am Horizont aufragten.
Die A859 führt in einem Bogen durch Südharris und verbindet die meisten Orte und Strände an der Westküste. Um die Bays an der Ostküste zu erkunden, biegen wir aber knapp 3 Meilen hinter Tarbert auf die C79 ab. Sie führt als Single-Track-Road durch die Mondlandschaft der Bays mit Hügeln, Kratern, Felsen und dazwischen immer wieder mal ein hellblau schimmernder See. Warum sie auch als „Golden Road“ bezeichnet wird erschließt sich uns allerdings nicht. Vielleicht hätten wir noch einmal in der goldenen Stunde wiederkommen müssen.
Dankenswerterweise teilen wir uns die Fahrbahn heute vorwiegend mit den allgegenwärtigen Schafen und nicht mit vielen anderen motorisierten Gefährten. Ausweichstellen finden sich hier nämlich deutlich seltener als auf den Hauptrouten. Die vereinzelten Häuser entlang des Wegs kann man nur mit viel Wohlwollen als Dörfer oder Orte bezeichnen. Wir vereinbaren mit uns gegenseitig, dass wir bei der nächsten Ferienhaussuche noch genauer auf die Lage achten werden! Denn auch hier in der Einöde kann man sich als Tourist einmieten. Das ist aber selbst uns zu abgelegen. Ein krasser Gegensatz zu Lewis, aber gleichzeitig auch faszinierend. Man könnte zwischendurch auf die Hauptstraße zurückkehren, aber wir bleiben auf der goldenen Straße bis sie an der Südspitze bei Rodel sowieso an der A859 endet.
Bei Finsbay sollte man unbedingt halten um die Robben in der Bucht zu begucken. Als wir da sind haben sie sich allerdings faul auf einen Felsen zurückgezogen und sind ziemlich gut getarnt. Wer eine 1-Pfund-Münze parat hat, kann das bereitgestellte Teleskop auf dem Aussichtpunkt benutzen, um optisch ganz nah ran zu kommen.
In Rodel bietet sich ein Stopp an der St. Clemenskirche an, die auf einem kleinen Hügel liegt und trotzdem erst kurz vor Ankunft sichtbar wird. Zumindest wenn man wie wir im Uhrzeigersinn fährt. Es gibt ein paar Parkplätze direkt unter der Kirche und von dort sind es auch nur ein paar Meter zu sehr sauberen öffentlichen Toiletten. Die kommen uns auch sehr gelegen, denn die paar Cafés und Shops, die wir auf unserem Weg gefunden haben, sind am Sonntag (heute) geschlossen. Das ist in Schottland bzw. UK so ungewöhnlich, dass sogar im Reiseführer ausdrücklich davor gewarnt wird! Und gleich anschließend auf die einzige dann verfügbare Tankgelegenheit verwiesen wird. Das sollen die zwei Zapfsäulen mit Kreditkartenlesegerät auch bekannt als Ravenspoint Petrol Station an der B8060 auf Lewis sein. Kleiner Fun Fact: Als wir dort vorbeikommen sind beide Zapfsäulen gerade „out of order“. Gut dass die Insel insgesamt so klein ist, dass wir gar nicht tanken müssen 😉 .
Harris Westküste ist ganz anders als die Ostküste. Statt trister Mondlandschaft reiht sich ein goldener Strand an den nächsten! Uns hat es besonders gut am Nisabost Beach gefallen. Aber das könnte auch daran liegen, dass er sich unter dramatischen Regenwolken in allen Blautönen präsentierte und menschenleer war. Wer möchte, kann am Nordende den Hügel erklimmen und hat vom MacLeod’s Stone einen tollen Blick über den Strand, die Insel Taransay und dahinter die North Harris Hills. Wir hatten gedacht, der Stein ist eine Gedenkstätte für den Clan der MacLeod. Und wer jetzt in seinem Kopf eine Stimme rufen hört „Connor McLeod vom Clan der MacLeod – es kann nur einen geben“ ist definitiv ein Kind der 80er Jahre 😉 . Aber weit gefehlt! Er steht hier schon seit 4500 Jahren und die MacLeods haben ihn einfach irgendwann nach sich benannt. Ohne Bezug und ohne den über drei Meter hohen Brocken den Hügel hinaufwuchten zu müssen. Während wir windumtost die Aussicht genießen, erwarten wir fast, dass ein paar Druiden den Hügel heraufkommen und irgendeine Zeremonie beginnen. Stattdessen zelebrieren wir nur den Eintrag ins Logbuch des Caches, der hier oben liegt.
Ein Bucht weiter liegt Seilebost Beach. Mit ausgedehnten Sandflächen und dazwischen grün und türkis auflaufendem Wasser ist er kein typischer Strand, sondern sieht eher wie eine Landschaft aus einem Science Fiction Film aus. Wir haben gerade noch Zeit die kleine Currywurst für einen Überflug los zu schicken, dann hat uns der Regen endgültig eingeholt und prasselt sintflutartig auf uns nieder. Damit entfällt dann der viel gerühmte Luskentyre Beach. Aber wir brauchen ja auch noch Ziele, die wir bei unserem nächsten Aufenthalt besuchen können 😉 .
Unglaublich aber wahr, dann ist es auch schon wieder Zeit sich auf den langen Heimweg zu machen. Schweren Herzens haben wir unsere sieben(tausend) Sachen wieder im Cachermobil verstaut und machen uns nochmal auf den Weg nach Harris. Diesmal gehen wir an Bord der Fähre von Tarbert nach Uig auf Skye, die wir bei unserer Anreise nicht genommen haben. Damit schließt sich dann der Kreis unserer Rundreise über Lewis und Harris. Auf der Fahrt durch – und über – die Harris Hills treffen wir heute diverse Radfahrer, die sich durch Regen und Nebel die Straßen hinaufquälen. Wenn jemals jemand denkt, Fahrradferien in Schottland wären eine gute Idee, können wir ihn schnell mit ein paar Bildern vom Gegenteil überzeugen! Wir haben uns schon in anderen Urlauben gewundert, wer es als erholsam empfindet bei 8° bis 15°, Wind und Regen auf dem Drahtesel unterwegs zu sein, aber nirgendwo so sehr wie in den letzten Wochen auf den Hebriden!
Die Überfahrt ist nicht so spektakulär, wie die von Ullapool, aber auch schön. Da es zwischendurch immer wieder regnet, sind wir besonders dankbar für die überdachten Bereiche auf dem Außendeck, die uns trocken und auf der richtigen Seite auch den Wind fern halten. Dort treffen wir auf Emmy aus Chattanooga, Tennessee, die mal zwei Jahre in Braunschweig gelebt hat, als ihr Mann bei VW arbeitete. Obwohl wir Braunschweig nicht unbedingt als Aushängeschild für Deutschland klassifizieren würden, war sie von der Zeit hellauf begeistert. Wohl aber hauptsächlich, weil – verglichen mit den USA – ganz Europa quasi vor der Haustür lag. Damals hat sie sich auch in Schottland verliebt und ist jetzt für eine Woche alleine hier, während ihr Mann zu Hause auf die Kinder aufpasst. Wir plaudern eine Weile, bevor sie sich für einen Snack ins Cafè begibt und wir im Panoramaraum ebenfalls unseren Proviant plündern und den obligatorischen Toilettenstopp vor der Ankunft erledigen.
Im Dauerregen geht es dann für uns durch die Highlands westwärts. Wir ärgern uns ein kleines bisschen, denn die Gegend ist wirklich wunderschön, aber das Wetter lädt nirgendwo zum Verweilen ein. Schließlich erreichen wir unser Hotel „Duke of Gordon“ in Kingussie, im Cairngorm Nationalpark. Das Hotel ist urig und strahlt den Charme und Glanz vergangener, besserer Zeiten aus. Alles ist ein bisschen abgegrabbelt und in die Jahre gekommen, war aber bestimmt mal ein imposantes Herrenhaus. An jeder Ecke finden sich verschnörkelte schwarze Heizkörper, die auch alle volle Pulle laufen und die Temperatur in den öffentlichen Bereichen auf Hochsommerniveau bringen. Auch in unserem Zimmer ist es uns zu warm. Also Heizung aus, Fenster auf und ab in die Bar bis es erträglicher ist. Von Uig bis hierher sind es 250 Kilometer und das Hotel ist mit drei Sternen nichts Besonderes. Wir haben es lediglich ausgewählt, weil es etwa auf halbem Weg nach Newcastle liegt. Ihr könnt euch also unsere Überraschung vorstellen, als wir in die Bar kommen und da sitzt: Emmy aus Chattanooga, Tennessee! Und sie wohnt noch nicht mal im Hotel, sondern ist nur zum Essen eingekehrt! Ihr B&B liegt ein paar Straßen weiter. Manchmal ist die Welt doch verrückt. Wir verbringen ein nettes Stündchen zusammen, bevor es für Lars zurück ins Zimmer geht (er muss ja morgen für die restliche Fahrt fit sein) und Diane noch einen Abendspaziergang zu den Ruthven Barracks macht. Die sind wieder mal ein Überbleibsel der englischen Besatzung nach dem jakobitischen Aufstand von 1715. Die Ruinen stehen auf einem Hügel und können jederzeit und kostenlos besichtigt werden. Außer den Steinmauern ist nicht mehr viel zu sehen und es gibt auch nur ein paar Hinweistafeln, aber es lohnt sich trotzdem. Bei schönem Wetter hat man bestimmt einen Superblick über den Fluss Spey und ins Tal. Heute Abend ist es fast schon bisschen unheimlich, so allein bei Nieselregen und im Zwielicht an diesem geschichtsträchtigen Ort.
Unsere letzte Etappe bis Newcastle führt uns durch genau die Landschaften, die wir letztes Jahr bereits ausgiebig erkundet haben. Und wir haben auch gar nicht viel Zeit für Sightseeing, denn wir müssen spätestens um 16:00 Uhr an der Fähre sein und das sind nochmal viereinhalb Stunden reine Fahrzeit. Wir machen Strecke auf der Autobahn bis hinter Edinburgh und wechseln dann auf die kleinere und malerische Route der A697. Das dauert zwar etwas länger, aber dafür gibt es auch was zu gucken. Die Beine vertreten wir uns am Edlingham Castle, das zusammen mit dem Edlingham Rail Viadukt und einer kleinen Kapelle einen pittoresken Zwischenstopp bietet.
Leider stehen wir dann auf den letzten Meilen in Newcastle noch ziemlich im Stau, so dass wir überpünktlich um 16:01 an der Fähre ankommen. Wir sind aber nicht die Letzten und können noch problemlos einchecken. Diesmal fahren wir mit der Princess Seaways zurück auf den Kontinent. Das Schiff ist ein bisschen anders gebaut, deshalb gibt es keinen separaten Commodore-Bereich und auch keine separate Lounge. Aber die große Kabine, das kostenlose WiFi und Frühstück und der eigene Frühstücksraum sind auch auf dieser Fahrt großartig! Und auch die Ausfahrt aus Newcastle ist diesmal wirklich ein Träumchen. Über der Küste brauen sich dunkle Regenwolken zusammen, aber noch scheint die Sonne und taucht alles in ein weiches Licht. Ein würdiger Abschied!
Die Rückfahrt ist butterweich und teilweise merken wir gar nicht, dass wir unterwegs sind. Pünktlich und gut gestärkt erreichen wir am nächsten Morgen Amsterdam. Es ist Fronleichnam und wir sind sehr froh, dass wir nach Deutschland fahren und nicht in die andere Richtung. Da staut es sich nämlich kilometerweit. Wieder mal haben jede Menge Leute an einem Feiertag nichts Besseres zu tun, als ein paar Stunden im Stau zu stehen, nur um shoppen gehen zu können. Obwohl jeder weiß, dass man im Stau steht und die Geschäfte doch morgen wieder auf haben! Zu Hause erwartet Diane dann noch ein Geburtstagsempfang der Extraklasse 🙂 . Vielen Dank an alle fleißigen Geburtstagswichtel!!