England 2018 – Kunterbuntes in Kent

Was macht man, wenn am Ende des Urlaubs noch soviel Programm übrig ist? Wir haben das letzte „B“ in unserem Urlaub erreicht. Nach Bridport und Bude sind wir jetzt in Broadstairs eingekehrt. Ein kleiner Badeort am Ärmelkanal auf der Isle of Thanet, die seit dem 15. Jahrhundert gar keine Insel mehr ist, weil der Kanal, der sie vom Festland trennte, versandet ist. Aber bei den Briten dauert es halt ein bisschen bis Namen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Fun Fact: der New Forest Nationalpark ist ja auch alles andere als neu, denn er wurde bereits im Jahre 1079 als königliches Jagdrevier von Wilhelm dem Eroberer zum geschützten Gebiet erklärt.

Aber zurück zur Eingangsfrage. Unsere To-See Liste für Kent ist lang, der Urlaub fast vorüber und der Wettergott hat ab morgen viel Wind  🙂 und leider auch sehr viel Regen 🙁 angekündigt. Es bleibt uns also noch ein Tag, den wir entsprechend ausnutzen müssen. Wir haben gestern Abend den strategischen Schlachtplan für heute entworfen und die beste Öffnungs-, Fahrt- und erwartete Sonnenzeiten-Route ermittelt.

Frühstück gibt’s bei strahlender Sonne am bzw. über dem Strand der Viking Bay in Broadstairs. Die Strandpromenade und der ganze Ort liegt quasi auf den berühmten weißen Klippen, und der Weg zum Wasser führt über eine nicht unerhebliche Anzahl an Treppen. Am frühen Morgen ist es hier sehr beschaulich und ruhig.

Um zehn Uhr öffnet die Muschelgrotte in Margate, die wir uns ansehen wollen. Der Cacherpilot findet natürlich direkt gegenüber einen Plätzchen für das Cachermobil obwohl davor „gewarnt“ wird, dass die Grotte in einer Wohngegend ohne eigenen Parkplatz liegt. Durch den obligatorischen Giftshop in einem ganz normalen Wohnhaus geht es ein paar Stufen runter und sofort stellt sich ein Indiana-Jones-Gefühl ein :-). Durch einen relativ schmalen Gang geht es weiter hinunter bis zur eigentlichen Grotte. Diese besteht aus etwa dreißig Metern Gang, dessen Wände und Decke mit über 4,5 Millionen Muscheln und Schneckenschalen bedeckt sind. Es gibt eine komplett ausgekleidete Kuppel und einen Altarraum, der allerdings im zweiten Weltkrieg beschädigt wurde.

In den 1930er Jahren hat ein pfiffiger Geschäftsmann Gaslicht in der Grotte installiert, damit zahlende Besucher was zu sehen haben. Leider haben sich die Muscheln dadurch grau und schwarz verfärbt und es gibt noch kein erschwingliches Verfahren für eine gefahrlose Säuberung. Trotzdem ist es ein überwältigender Anblick. Die Wände der Gänge sind in einzelne Paneele unterteilt, und es gibt einen Flyer, der die darauf befindlichen Bilder kurz erklärt. Wir finden es aber auch ohne Erklärung faszinierend wie die unterschiedlichen Größen und Formen der Muscheln genutzt wurden um dieses Mosaik zu erschaffen. Warum und von wem das überdimensionale Muschelpuzzle angelegt wurde ist nicht bekannt, aber jeder Besucher wird sich sicher seine eigenen Gedanken dazu machen. Gelangweilter Lord, abergläubische reiche Witwe,  Freimaurer, Templer, Muschelfetischist….? Auf jeden Fall jemand mit viel Zeit und ruhiger Hand 🙂 .

Für uns geht es weiter nach Canterbury. Hier steht die „Mutter der anglikanischen Kirche“ Canterbury Cathedral. 1988 zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt und wohl eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in England. Nach einem netten Spaziergang durch die Innenstadt erreichen wir das Kathedralenviertel.  Das erste, was wir von der Kathedrale selbst sehen, sind Baugerüste und -zäune. Bis 2020 finden massive Renovierungsmaßnahmen statt. So sind nicht nur die Südfassade, sondern auch die Kuppeldecke des Kirchenschiffs eingerüstet und nehmen dem Innenraum leider ein bisschen die Erhabenheit, die Kirchen dieser Größe für uns normalerweise ausstrahlen.

Nach dem gestrigen Besuch in Salisbury bleibt Canterbury für uns leider hinter unseren – wahrscheinlich zu hohen – Erwartungen zurück. Es ist ein imposantes Bauwerk und atmet Geschichte, aber es hält uns einfach nicht so gefangen. Könnte auch daran liegen, dass der Besuch hier deutlich professioneller und irgendwie strenger geregelt ist. Keine Fotos in der Krypta, abgesperrte Bereiche und viele, mehr oder weniger offensichtliche, Aufsichtspersonen. Alles nicht wirklich schlimm, aber im Gesamteffekt kommt unser Besuch nur auf ein „nett“ und kein „wow“ 😉

Weiter geht’s nach Leeds Castle, ein Wasserschloss das über 1.000 Jahre von Königshäusern als Wohnsitz, Festung oder Zufluchtsort genutzt wurde und heute einen Einblick in diverse Epochen seiner Nutzung bietet. Vom Parkplatz geht es durch einen schön angelegten Park zu Fuß Richtung Schloss. Wer nicht laufen möchte, kann für 1£ mit dem Landtrain fahren. Der Park ist schön angelegt und wird von jeder Menge Geflügel bevölkert. Enten, Schwäne, Pfauen und vor allem Gänse haben hier eindeutig das Sagen, lassen sich von uns überhaupt nicht stören, aber gnädig passieren. Dann geht es einmal ums Schloss herum bevor wir das Gemäuer betreten können. Offensichtlich braucht man diese Verlangsamungsmaßnahme um den Besuchermassen zur Hauptsaison zu begegnen, aber heute sind wir fast allein hier 🙂

Die meisten Räume zeigen die Ausstattung der letzen Bewohner, Lady Baillie und Familie, die hier bis zu ihrem Tod 1974 lebten. Dadurch verliert sich zwar der mittelalterliche Charakter des Gebäudes etwas, aber es ist trotzdem spannend zu sehen, wie die „bessere“ Gesellschaft im letzten Jahrhundert so gelebt hat 🙂

Der umliegende Park lädt zum Verweilen ein und zur Unterhaltung gibt es ein Labyrinth, ein Spielplatz, Ritterspiele und eine Greifvogelschau. Aber für heute gibt es kein Programm mehr, da es mittlerweile später Nachmittag ist und so begnügen wir uns mit einem Spaziergang durch die weitläufigen Parkanlagen. Ein- und Ausgang zum Gelände erfolgt natürlich über einen Giftshop und – irgendwie typisch britisch – in der Weihnachtsecke werden wir fündig. Im Dezember wird unseren Tannenbaum eine rote Telefonzelle und ein regenbogenfarbenes Einhorn zieren 🙂

Wir beenden den Tag wie wir ihn begonnen haben, am Strand auf der Isle of Thanet. Diesmal allerdings in Botany Bay. Die weißen Klippen mögen den Beinamen „von Dover“ haben, aber sie ziehen sich die ganze Küste herauf und präsentieren sich uns im schönsten Abendlicht.

 

 

 

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