Lewis? Äußere Hebriden? Wieder einmal ernten wir verständnislose Blicke, als wir unsere Urlaubspläne enthüllen. Also wo liegt die Insel Lewis? Direkt gegenüber der Insel Skye! Tatsächlich haben wir sie letzte Woche schon diverse Male am Horizont im Dunst liegen sehen. Der direkteste Weg die 80 Meilen ostwärts zu reisen wäre die Fähre von Uig nach Tarbert, aber die heben wir uns für später auf. Für uns geht es stattdessen zurück aufs Festland und dann nordwärts. Die Küste hier oben haben wir 2017 bereits ausführlich bereist – und beschrieben. Besonders Loch Carron hatte uns damals mit glatter Wasseroberfläche und tollen Spiegelungen überrascht. Darum macht es uns auch überhaupt nix aus, dass wir diesmal wegen diverser Reisebusse erst gar nicht auf den Parkplatz des offiziellen Aussichtspunktes kommen. So schön wie damals, ist die Aussicht heute nämlich nicht 😉 .
Wir gondeln gemütlich die Küste hinauf. Die Gegend wechselt zwischen tief eingeschnittenen Tälern und azurblauem Meer ab. Ein wunderbarer sonniger Reisetag! Wir kommen sogar fast an unserem Ferienhaus von 2017 in Second Coast vorbei.
Mit zwanzig Minuten Puffer erreichen wir schließlich Ullapool. Der Empfehlung diverser Reiseführer und Blogs folgend, wollen wir nochmal tanken, bevor es auf die Insel geht, aber die Idee haben leider auch viele Reisende, die gerade mit der Fähre von Lewis angekommen sind. Und es gibt nur eine Tankstelle. Wir riskieren es lieber nicht und fahren gleich zum Terminal. Von hier nehmen wir die Fähre nach Stornoway, dem Hauptort der Insel Lewis. Vor sieben Jahren haben wir die Schiffe regelmäßig übersetzen sehen und bereits damals mit dem Gedanken gespielt, an Bord zu gehen. Heute ist es dann endlich so weit. Als Passagier kann man die knapp dreistündige Überfahrt drinnen in Café oder Aufenthaltsräumen bequem verbringen. Auch eine ganze Reihe von Flugzeugsitzen (nur mit mehr Beinfreiheit!) steht zum Entspannen zur Verfügung. Aber wenn die Abendsonne alles in sanftes Licht taucht, bleibt Diane natürlich lieber an Deck! Die Passage durch den Meeresarm The Minch, der Lewis vom Festland trennt, soll zudem eine der schönsten in Schottland sein. Das können wir bestätigen! Sanft gleitet das Schiff an den „Summer Isles“ vorbei und die mit weißen Tupfenwolken gekrönten Berge lassen bei uns Erinnerungen an die Hurtigruten aufkommen.
Nachdem wir die Inseln passiert haben, frischt der Wind auf und treibt die meisten Mitreisenden nach drinnen. Also, auch wenn es tagsüber sonnige 20° waren, für die abendliche Überfahrt empfiehlt es sich eine winddichte Jacke und eine warme Kopfbedeckung parat zu haben 😉 .
Von Stornoway brauchen wir nochmal 30 Minuten bis wir unser Ferienhaus in Balallan erreichen. Der Ort liegt zwischen den North Lochs und den South Lochs (nicht sehr originell, aber so heißen sie nun mal) und wir haben eine tolle Aussicht über braune Hügel, grüne Wiesen und Wasser. Leider hat man das Haus verkehrt herum aufgestellt. Das Panoramafenster liegt in der Küche, so dass wir beim Essen herausschauen können. Aber das Wohnzimmer liegt auf der anderen Seite, zur Straße hin. Und die bietet keine überragende Aussicht.
Im Gegensatz zu Skye ist Lewis rauer. Die Häuser sind eher betonfarben und trist statt strahlend weiß. Es gibt nur wenig Bäume, die den Blick über die braunen Hügel aufhalten und insgesamt ist die Insel weniger „glatt“, weniger auf Tourismus getrimmt. Dadurch fühlt es sich aber auch ursprünglicher, ehrlicher an. Lewis wirkt ein bisschen aus der modernen Zeit gefallen. Viel hat sich am Lebensstil in den letzten 200 Jahren nicht geändert. Die Menschen leben immer noch über die Insel verstreut in kleinen Gemeinden und es gibt immer noch mehr Schafe als Einwohner 🙂 . Straßenschilder tragen erst die gälischen und dann die englischen Namen, weil Gälisch hier noch eine gelebte Sprache ist. Und in weiten Teilen gibt es keinen oder nur sporadischen Mobilfunkempfang. Es gibt kaum Besucherzentren oder Riesenparkplätze an den Hotspots und alles läuft entspannter und gemütlicher ab. Bis auf das Einkaufen in den einzigen großen Supermärkten in Stornoway. Da steppt immer der Bär, wie wir im Laufe der Woche feststellen.
Leider hat Lars sich irgendwo einen dicken Schnupfen eingefangen und wir müssen ein bisschen kürzer treten, bis es ihm wieder besser geht. Point An Rubha oder die Eye-Halbinsel ist über eine schmale Landbrücke mit Lewis verbunden und ist gerade groß genug uns einen Nachmittag zu beschäftigen ohne uns zu überanstrengen. Zu beiden Seiten der Landzunge liegen Melbost Beach und Braighe Beach, wobei Melbost Beach wesentlich schöner ist. Um dorthin zu gelangen geht es am Aignish Farm Raiders Monument vorbei. Es erinnert an die Besetzung der Aignish Farm von 1888 durch Landbewohner die gegen ihre Vertreibung von ihrem Land und den daraus resultierenden schlechten Lebensbedingungen protestierten. Auf der Insel gibt es noch mehrere Monumente dieser Serie, die an ähnliche Vorkommnisse erinnern. Damals waren Schafe und Rinder profitabler als menschliche Pächter und viele Bewohner wurden vertrieben und umgesiedelt. Die verlassenen Dörfer sind für uns heute pittoreske Ruinen, aber sie dokumentieren eine dunkle und grausame Vergangenheit. Auch St. Columba’s Church ist nur noch eine Ruine, thront aber malerisch über Melbost Beach. Um einige der über 600 Jahre alten Grabplatten zu schützen hat man über einem Teil ein modernes Dach errichtet, was den Gesamteindruck ein bisschen trübt. Aber wir haben natürlich Verständnis für derartige Konservierungsmaßnahmen. Die Ruine selbst ist nicht super spektakulär, aber so wie sie einsam da steht während unter ihr das Meer rauscht lohnt sich ein Besuch allemal.
Bayble Pier ragt in eine tiefblaue Bucht hinaus und direkt daneben liegt ein kleiner Sandstrand, der bei unserem Besuch aber ziemlich voll ist, so dass wir nicht lange bleiben. Uns lockt Tiumpan Lighthouse. Wir wussten allerdings nicht, dass der Leuchtturm in Privatbesitz ist und dort eine Katzen- und Hundezucht betrieben wird. Wir werden mit lautem Gebell empfangen, sobald wir das Auto verlassen. Wir stromern ein bisschen herum, aber so richtig wohl fühlen wir uns dabei nicht. Wir würden ja auch nicht wollen, dass jemand um unser Zuhause herumschleicht 😉 . Da nutzen wir das schöne Wetter doch lieber noch aus, die Wäsche zu erledigen. Und als sie dann lustig an der Leine flattert, kommt auch noch ein bisschen Landleben-Gefühl auf.
Es gibt nur eine Strasse die Ostküste von Lewis hinauf durch die als „Back“ benannte Gegend. Die B895 sollte mal bis zur Nordspitze führen, aber sie endet an der „Bridge to Nowhere“. Danach führt ein Schotterweg noch ein Stück weiter, aber allen, die nicht mit einem Allrad-SUV unterwegs sind, empfehlen wir hier auf Schusters Rappen umzusteigen. Leider sind wir an einem windigen und regnerischen Tag hier, so dass wir keine gute Sicht haben und nicht sehr weit gehen. Stattdessen erkunden wir Traigh Ghearadha bzw. Garry Beach, direkt unterhalb der Brücke. Eine schöne kleine Bucht mit phantastischen Felsen am Südende, inklusive einem piratenhöhlenartigen Durchgang, die bei Ebbe freigelegt werden und zum Erforschen einladen. Sogar im strömenden Regen ein tolles Erlebnis! Bei besserem Wetter hätten wir auch Traigh Mhòr unsicher gemacht, aber dann ist es uns doch zu ungemütlich und nach einem kurzen Cacherstop machen wir uns auf dem Heimweg ins gut geheizte Ferienhaus. Zumindest, seit wir die Heizung in Gang gebracht haben 😉 .
Seit ein paar Tagen haben wir ein Problem mit einem der Reifen am Cachermobil, der immer wieder Luft verliert. Erst ist es nur ein bisschen, aber dann immer schneller und immer mehr. Da Tankstellen auf den Hebriden nicht an jeder Ecke verfügbar sind und teilweise auch nur aus zwei Zapfsäulen bestehen, wird uns die Sache irgendwann zu unsicher. Und so verbringen wir unfreiwillig viel Zeit in Stornoway, während wir darauf warten, dass der Stornoway Tyre Service unser Gefährt wieder fit macht. Wir hatten uns tatsächlich eine riesige Schraube eingefahren! Danach können wir den Rest des Urlaubs wieder entspannt angehen.
Unser Ferienhaus liegt direkt an der Straße, die in die South Lochs führt. Früher wurden sie als Hirschgehege und Jagdgebiet genutzt. Zu unserem Entzücken hat sich ein Nachfahre in Form eines schmucken Junghirschs quasi direkt hinter dem Gartenzaun unseres Ferienhauses niedergelassen. Jeden Tag halten wir Ausschau und freuen uns immer, wenn er uns besuchen kommt! In den Lochs selbst treffen wir auf mehr Schafe als Hirsche, aber die dünn besiedelte Gegend übt eine fast mystische, leicht trostlose Faszination auf uns aus. Wir sind aber auch an einem windstillen, bedeckten Tag hier, an dem die tiefhängende Wolkendecke sich kaum bewegt und den bedrückenden Eindruck noch verschärft.
Die Westküste ist die meistbesuchte Gegend der Äußeren Hebriden, da sich hier die „besten“ Sehenswürdigkeiten befinden. Die Nordwestspitze wird aus irgendeinem Grund als ‚Butt of Lewis‘, also Lewis‘ Hintern bezeichnet und ist der der nordwestlichste Punkt der Britischen Inseln und Europas. Als Wahrzeichen ragt der Leuchtturm aus roten Backsteinen 37m in die Höhe. Er liegt malerisch auf den Klippen und wer hier keinen Spaziergang macht ist selbst Schuld. Der kleine Parkplatz direkt am Leuchtturm sieht ein geschäftiges Kommen und Gehen während wir da sind, aber insgesamt hält sich der Trubel in Grenzen.
Ness Harbour und Beach sollen ebenfalls sehenswert sein, wir sind aber nicht sehr beeindruckt. Liegt aber möglicherweise daran, dass gerade Ebbe ist 😉 .
Eoropie Beach und Swainbost Beach stehen beide auf unserem Programm. Eher zufällig entdecken wir, dass wenn man am Ness Cementary parkt, man auf einem wunderbaren Spaziergang beide Strände erreichen kann. Und als Sahnehäubchen kommt noch eine phänomenale Brandung, blühende Wiesen und unglaublichen Aussichten dazu. Dieser Ort bekommt von uns eine uneingeschränkte Empfehlung!
Der A585 folgend machen wir kurze Zwischenstops am Loch an Duin und am Whalebone Arch am Straßenrand. Der sechs Meter lange Walkiefer wurde als Tor zu einem Garten aufgestellt und in einem Anfall von skurrilem Humor, wurde die Harpune mit der er erlegt wurde zur Dekoration in die Mitte gehangen. Sehr seltsam!
Arnol Blackhouse besichtigen wir nur, weil wir mit unserer Historic Environment Scotland Mitgliedschaft freien Eintritt haben. Ansonsten hätten wir keine £7.50 pro Person bezahlt nur um ins Haus zu gelangen, sondern uns mit der Außenansicht begnügt. Schwer vorstellbar, dass bis in die 1960er Jahre hier Menschen mit ihrem Vieh vereint unter dem Reetdach lebten. Ohne Elektrizität, fließend Wasser und ohne Fenster. Die Bauweise bot besten Schutz vor dem harschen Klima, war aber im Winter sicher auch ziemlich bedrückend. Innen ist es überraschen geräumig und das immerwährende Torffeuer qualmt reichlich, so dass wir noch Stunden später aromatischen Räucherduft verbreiten 😉 .
Um uns auszulüften besuchen wir Dailbeag Beach. Ein kleiner Strand in einer kleinen Bucht. Dahinter liegt Loch Dailbeag und auf einem Hügel die Ruinen alter Besiedlung. Die Essenz der Hebriden – Meer, Loch, Miniberge und Ruinen auf kleinstem Raum versammelt.
Gearrannan Blackhouse Village ist ein Museum für eine kleine Ansammlung von Blackhouses. Hier lohnt sich der Eintritt von £5.20 schon eher. Es gibt mehrere Häuser, ein Museum und Freiwillige, die Auskunft über die Lebensweise geben und Fragen beantworten. Einige der Häuser können sogar als Ferienunterkunft gemietet werden. Dann muss man sich tagsüber halt nur mit einem Haufen von Besuchern arrangieren. Diverse Häuser haben gerade ein neues Reetdach erhalten, die in der Sonne leuchten und dem Dorf ein freundliches Erscheinungsbild verleihen. Sehr schön kann man hier auch sehen, dass ein Netz über dem Strohdach liegt, das mit Seilen und Steinen beschwert wird, um dem ewigen Wind zu trotzen.
Ein paar Meilen südlich steht Dun Carloway Broch auf einer Anhöhe. Es ist wohl einer der besterhaltenden eisenzeitlichen Türme und über 2000 Jahre alt. Bis zu neun Meter ragen die mit Flechten bewachsenen Mauern, wie ein kleiner Vulkan, auf. Wer möchte kann ungestört überall herumklettern. Wie förderlich das für die Erhaltung dieses imposanten Bauwerks ist, muss sich jeder selbst überlegen. Ansonsten bietet die Anhöhe einen schönen Ausblick und ist den kleinen Aufstieg definitiv wert!
Noch ein paar Meilen weiter südlich befindet sich die wohl meistbesuchte Stätte auf Lewis, die Callanish Standing Stones. Mit fast 5000 Jahren werden sie älter als Stonehenge oder die Pyramiden von Gizeh geschätzt. Die Hauptanlage besteht aus einer etwa kreuzförmig angelegten Struktur mit einer Allee aus Menhiren, die auf einen Steinkreis zuläuft. Ein magischer Ort für jeden, der sowas mag! Wir sind abends da und es ist nicht mehr viel los. Es gibt noch sieben weitere Steinkreise im Umkreis, alle kleiner und nicht so gut erhalten, die wir leider aus Zeitgründen nicht mehr erkunden können. Genauso wenig wie die Bernera-Halbinsel. Aber wir haben bereits beschlossen, dass wir wiederkommen werden. Lewis hat uns in seinen Bann gezogen!
Tolle Eindrücke, die ihr wieder rübergebracht habt. Ich war direkt mit euch in Ullapool, oder auf Skye. Kommt gesund (Lars) wieder und genießt bis zum Ende. Gabi und Hennes
Sind das tolle Bilder von einer tollen Reise
Super Reiseblog, atemberaubende Bilder, ihr habt als Reiseandenken bestimmt einen dieser Hinkesteine (Calanais Standing Stones) mitgebracht, wenn ihr keinen Platz bei euch habt, hole ihn gern bei euch ab. Viele Grüße von Maria und Hartmut